Ich denke, also bin ich

Der erste Grundsatz von René Descartes soll heute einmal symbolisch für ein Phänomen stehen, das wir alle, und zwar jeden Tag aufs Neue, erleben – unsere Abhängigkeit von Glaubenssätzen. Da darüber schon viel geschrieben und in Podcasts auch ausführlich besprochen wurde, möchte ich heute nicht so weit ausholen, sondern nur an einem Beispiel erzählen, wie Glaubenssätze unser Leben beeinflussen, bestimmen, ja, auch ruinieren können, und wie man sie sanft verändern und auflösen kann, wenn sie einen schwächen.

Als Maries Ehe scheiterte

Sie war noch jung, Studentin im 3. Semester, als sie Richard kennenlernte. Er studierte Philosophie, sie Deutsch im Lehramt. Er war ein Jahr älter, hochgewachsen, schlank und trug gerne Cordhosen. Sie, eher klein, fraulich gebaut und trägt Jeans. Also alles fing irgendwie sehr klassisch an, um nicht zu sagen klischeebeladen. Marie schwärmte für ihren schlaksigen Richard, bald landeten sie im Bett, von da an in einer eigenen Wohnung und von dort beim Standesamt. Im Alltag zeigten sich aber die ersten Spannungen:

  1. Richard war ein Nachtmensch und musste nicht früh aufstehen. Für Marie wiederum war die Nacht um sechs zu Ende. Außerdem störte es sie, wenn sie nicht zugleich ins Bett gingen, zugleich aßen und gemeinsam den gleichen Film sahen. Sie fühlte sich gekränkt, wenn er lieber noch ein Buch lesen wollte, sich zwar zu ihr setzte, aber nichts aß oder statt ihrer Lieblingsserie lieber in den Rechner guckte.
  2. Aber das wäre alles nicht so schlimm gewesen, wenn sie nicht der Meinung gewesen wäre, dass er sie belog. Und zwar auf eine seltsame Art. Er sagte oft zu ihr, dass er sie schön fand und sie liebe. Das mochte sie nicht, das war ihr unangenehm, und es fühlte sich falsch an. Denn er sagte solche Sachen, aber gleichzeitig machte er Dinge, die das Gegenteil zeigten. Zum Beispiel ließ er immer seine Bücher auf dem Tisch liegen, obwohl er wusste, dass sie das störte. Immer diese vollgeräumten Tische, sie hasste es. Und wenn er sie wirklich so gern hatte, sie bewunderte und liebte, dann würde er den Tisch nicht so achtlos vollstellen. Also log er.
  3. Ein drittes kam nun noch hinzu. Marie war unglücklich. Und das lag natürlich an Richard. Denn immer wieder bemerkte sie Aufmerksamkeitsdefizite. Mal brachte er keine Blumen mit, dann wiederum blieb er länger aus und rief sie nicht an. Wiederum zu Weihnachten schenkte er ihr nicht das Kleid, was sie sich erträumte, sondern etwas ganz anderes. Und so ging es fort.

Eines Tages konfrontierte sie Richard mit ihren über die Jahre gewonnenen Erkenntnissen und verlangte die Scheidung. Er war komplett überfordert, er hatte nichts mitbekommen.

Die Glaubenssätze und ihre Wirkungen

In unserer Geschichte, die natürlich nur ein kleines Streiflicht sein kann, geht es um Glaubenssätze, die Beziehungen zerstören können. Dabei konzentrieren wir uns heute nur auf Marie. In den drei Beispielen geht es um drei zentrale Glaubenssätze:

  1. Wenn man sich liebt, macht man alles gemeinsam.
  2. Ich bin nicht schön, man kann mich nicht lieben.
  3. Mein Ehemann ist für mein Glück verantwortlich.

Doch was ist das eigentlich, ein Glaubenssatz? Ein Glaubenssatz ist eine tiefe Überzeugung und eine innere Definition, die nicht hinterfragt wird. Er wird in den Jahren und Jahrzehnten des Lebens gebildet. Die prägendsten und meist unbewussten Glaubenssätze entstehen in der Kindheit. Um herauszubekommen, welche Glaubenssätze man in sich hat, ist es ratsam, Handlungen, Emotionen und auch Gedanken zu hinterfragen. Gehen wir wieder zu unserem Beispiel.

  1. Warum stört es mich, dass wir nicht gemeinsam ins Bett gehen, gemeinsam essen und gemeinsam fernsehen? (Analyse Ärger) Warum glaube ich, dass Gemeinsamkeit wichtig und beziehungsrelevant ist? (Analyse Historie) Was heißt das, wenn man das eben nicht gemeinsam macht? (Analyse Angst)
  2. Warum stört es mich, wenn er solche Sachen sagt? (Analyse Ärger) Warum glaube ich ihm solche Äußerungen über mich nicht? (Analyse Historie) Was heißt das, wenn er den Tisch vollmüllt, was glaube ich dann? (Analyse Angst)
  3. Warum stört es mich, wenn er Aufmerksamkeit vermissen lässt? (Analyse Ärger) Warum denke ich, dass Aufmerksamkeiten und mir Glück zu geben seine Aufgabe ist? (Analyse Historie) Warum glaube ich, dass bei einem Male fehlender Blumen die Beziehung infrage gestellt werden kann? (Analyse Angst)

Wir sehen, dass Maries negative Glaubenssätze tief verankert sind und sich beziehungsgefährdent auswirken. Ihre fehlende Selbstachtung oder -liebe, ihre Überzeugungen, dass Glück immer die Aufgabe des Partners ist und dass wahre Liebe sich in ausschließlicher Gemeinsamkeit offenbart, belastet ihre Ehe so stark, dass diese daran zerbricht (hier nur als Ausschnitt, in der Realität gibt es natürlich auch noch die Anteile von Richard)

Was kann man dagegen machen?

Maries Schritt zum Scheidungsrichter entspringt ihrer völligen Überzeugung, dass ihre Beziehung mit Richard gescheitert ist. Neben vielen anderen psychischen Faktoren, bestimmt sie also selbst, was Scheitern bedeutet. Doch was hätte sie stattdessen tun können?

3 wichtige Tipps für die Arbeit mit seinen Glaubenssätzen:

  • Mentalisierung

Mache Dir klar, was Du denkst. Erforsche bei einer emotionalen Reaktion, welche Gedanken und Überzeugungen dahinter stehen. Beispiel unaufgeräumter Tisch: “Ich ärgere mich, wenn der Tisch nicht frei ist. Was ärgert mich daran? a) Richard weiß, dass ich unaufgeräumte Tische hasse, also ist es ihm egal, also bin ich ihm egal und b) Ein Tisch hat aufgeräumt zu sein.”  

  • Bezweifeln

Ich habe nun einige Glaubenssätze gefunden und spreche sie aus, aber ich bezweifle sie. “Warum muss ein Tisch immer aufgeräumt sein? Warum liebt mich Richard nicht, wenn er seine Bücher darauf liegen lässt?” Nun finde ich Antworten darauf, einmal welche, die meine These unterstützen (sie führen mich zu weiteren Glaubenssätzen von mir) und einmal welche, die die Glaubenssätze wackeln, oder zumindest nicht immer gelten lassen.

  • Umkehrung

Und nun, wo ich mitbekommen habe, dass ein Tisch nicht IMMER aufgeräumt sein muss, KANN es sein, dass mich Richard dennoch liebt. Ein “entweder - oder” habe ich zumindest erkannt und in ein “meistens - nur dann” abgemildert.

Fazit

Dieses Mal war es nur ein kleiner Ausschnitt mit einem Beispiel, welches das sehr große Thema Glaubenssätze beleuchten soll. Und vielleicht vermissen Sie den wichtigsten Tipp, die Affirmation, also einen entgegenstehenden Satz deutlich dagegenzusetzen. Ja, aber das ist eben so eine Sache mit der Selbstbehauptung, mit einem Mantra. Manchen gelingt es vielleicht, doch ein starker Glaubenssatz glaubt eben seinem Gegenteil nicht. In erster Linie ist es wichtig, dass wir uns bewusst machen, dass wir in unseren Reaktionen auf andere Menschen unsere Überzeugungen und eigene Behauptungen kommunizieren. Üben wir wahrzunehmen, was wir EIGENTLICH sagen und üben wir zu hören, WARUM wir es sagen, dann ist schon viel gewonnen.

Bitte beachtet auch meine Schwerpunktseite: www.musikerberatung-frieling.de.

Zurück