Das Glück des Alters

Wenn man sich an einem sonnigen Tag in Berlin aufhält und die vielen Menschen betrachtet, die irgendeiner körperlichen oder geistigen Ertüchtigung nachgehen, fragt man sich unweigerlich, welches große gemeinsame Ziel sie verfolgen. Zudem werden vermehrt vegane, vegetarische, biologisch-dynamische oder sonstwie ökologisch nachhaltige und gesunde Lebensmittel angeboten. Neben der sportlichen und meditativen Arbeit scheint also auch die Betonung auf eine gesunde Ernährung eine große Rolle zu spielen. Es ist nichts ungewöhnliches oder seltsames daran, sich sportlich fit zu halten und gesund zu ernähren, aber manchmal beschleicht mich unweigerlich das Gefühl, dass es sich hier nicht nur um Spaß und Lust am Leben handelt, sondern vielleicht auch um Angst.

Was kann ich tun, um glücklich zu sein?

Heute sollen keine Störungen oder menschlichen Akzentuierungen im Vordergrund stehen. Heute soll es um das Glück gehen. Vielleicht können diese sieben Denkansätze helfen, mehr zu wollen, als nur gesund zu altern.

Die Lebenszeit verlängert sich statistisch gesehen immer mehr. Ziel ist es also, länger gesund zu leben. Um das zu erreichen, werden allerlei fördernde Maßnahmen ergriffen. Aber was macht man eigentlich mit seinem längeren Leben? Glück ist vielleicht das meistgesuchte Gefühl der Menschen. Denn alt zu werden ist nicht schwer, alt zu sein dagegen sehr. Denn angenommen, man ist ein gesunder Rentner, der seine Tage in vollen Zügen genießen könnte, aber dann klappt es nicht. Es fehlen Ideen, die Freude, zufrieden zu sein oder die Begeisterung an einer Beschäftigung. Subsumieren wir es unter einem fehlenden Sinn oder Glück im Leben.

1. Freude genießen, Spaß haben

Nicht nur das gesunde Essen oder der ausreichende Schlaf, auch nicht der Sport können Energie so ausreichend geben wie Spaß, Freude und Humor. Wie oft kennen wir den Effekt, gerade aus unserer Kinder- und Jugendzeit, dass wir vor lauter Begeisterung für eine Sache vergaßen zu essen oder zu schlafen. Und? Hat es uns geschadet? Meistens nicht. Die Freude ist eben nicht nur eine chemisch nachzuweisende “Gefühlsmedizin”, sondern sie gibt uns auch den spielerischen Sinn des Lebens. Es ist die Transzendenz des Sinns, denn in dem man Freude empfindet, hinterfragt man nicht den Sinn, er ist einfach da. Er muss nicht mehr gesucht und gefunden werden. Nun sagt sich das einfach, “man müsse Freude und Spaß haben”. Um aber herauszubekommen, was einem diese Freude bringt, so kann es ratsam erscheinen, sich auf eine Reise zu seinem Inneren Kind zu begeben. Was möchte es? Kleine Übung zum Einstieg: Sie sitzen auf dem Sofa und langweilen sich. Nun fragen Sie sich, was Sie am liebsten machen würden. Der Kopf sagt Ihnen vielleicht, dass Sie schon immer mal Thomas Manns Doktor Faustus lesen wollten, aber ein etwas unklares Bauchgefühl drängt sich hervor, dass es doch lieber zum Weinfest gehen würde. Oft erlebt man verschiedene Wünsche, und oft entspringen sie verschiedenen Welten. Da ist zum einen die intellektuelle Erwachsenenwelt, zum anderen die emotionale Kinderwelt. Hören Sie beiden zu und geben Sie beiden Wünschen ihren Raum.

2. Zukunftspläne schaffen, Vorfreude schüren

Spinnen kann so schön sein, aber damit meine ich nicht die 8-beinigen Tierchen, sondern die materialisierten Gedanken der Zukunft. Also einen Plan auszudenken, was man in der Zukunft machen möchte, einen Urlaub beispielsweise oder ein schönes Geschenk für seinen Partner kaufen. Planen Sie eine Reise, ein Konzert oder eine Wanderung. Und jede Planung notieren Sie genau, ausführlich und terminiert. Sie werden sehen, ab dann freuen Sie sich intensiver, endlich diese Reise oder Wanderung anzutreten, dieses Konzert hören oder dieses Geschenk schenken zu können. Viel Kraft des Urlaubs erlebt man besonders dann, wenn man sich die Zeit lässt, sich auch genügend lange darauf freuen zu können. Je mehr man plant, desto weniger grübelt man über Vergangenes, und die Zukunft kann man immer wieder ändern, die Geschichte nie.

3. Bewegung im Alltag

Wer sich schont, verliert. Frei nach diesem Motto ist es gut, wenn man sich viel bewegt. Dabei steht nicht so sehr der sportliche Gedanke des Vergleichs, des Gewinnens und der Bestzeit im Vordergrund, sondern der Alltag und die Bewältigung aller körperlich anstehenden Arbeiten. Jede Treppe sollte man zu Fuß erklimmen, genauso wie man viele Wege gehen kann, obwohl ein Bus fährt. Auch das Fahrradfahren ist oft besser als der öffentliche Nahverkehr. Das sind Gemeinplätze, aber das Spannende dabei ist, dass sich die Regelmäßigkeit der kleinen Dinge im Alltag elementar positiv auf die Gesundheit auswirken kann. Das Fitnesscenter einmal die Woche, wohin man natürlich mit dem Auto fährt? Genauso dekadent und absurd es sich anhört, genauso wenig sinnvoll ist es für die alltägliche Fitness. Und neben dieser rein körperlichen Fitness kommt noch eine geistige und seelische Komponente hinzu. Erlebt man jeden Fußweg, jede Treppenstufe und jede Fahrradfahrt bewusst, ohne den Gedanken aufkommen zu lassen, dass man bereits schon viel weiter sein müsste, dann kann man mittels dieser Alltagsbewegungen seine Achtsamkeit üben und seine Umwelt viel besser wahrnehmen.

4. Neugierde auf Bildung

Die meisten Menschen beschäftigen sich heutzutage viel mit ihrem Handy. Audiovisuelle Inhalte berieseln einen ständig. Zwar erlebt man hier auch Geschichten anderer Menschen, aber sie werden einem so kleinteilig präsentiert, dass wenig Raum für die eigene Phantasie bleibt. Und hier kommt das Lesen ins Spiel. Bücher haben oft die Eigenschaft, über ihren Inhalt hinaus Inhalte bei einem selbst entstehen zu lassen, die mehr als ihre eigentliche Geschichte sind. Und da geht es zum einen um die Abstraktion einer belletristischen Geschichte oder sachlichen Beschreibung, zum anderen aber auch um die Freiheit der persönlichen Geschwindigkeit des Lesens. Weder Filme noch Hörbücher kann man in ihrer zu konsumierenden Quantität steuern. Die Timeline ist vorgegeben. Im Lesen allerdings erlebt man eine Freiheit, die vielleicht gering scheint, aber in Summe ihrer Möglichkeiten vielleicht viel von Belastungen durch Verbindlichkeiten, Verpflichtungen und Abhängigkeiten nimmt. Und genau das kann beispielsweise die Qualität eines Satzes, weil er vielleicht etwas Inneres anstößt, deutlich vermehren, weil man mit seiner Geschwindigkeit, seinem Denken, seiner Betonung und seinem imaginären Erleben über ihn nachsinnen kann und darf.

5. Bildung verbreiten

Was seltsam klingt, kann dazu führen, mehr wissen zu wollen und sich mehr für Menschen oder Dinge zu interessieren. Vorträge, Workshops oder Seminare kann jeder halten, der wirklich etwas zu sagen hat oder etwas weitergeben möchte. Genauso, wie man als wissbegieriger Mensch diese Art der Bildungsangebote nutzt, kann man sie selbst in den eigenen Gebieten weitertragen. Und es ist so wie beim Lehren, möchte man einem anderen Menschen etwas beibringen, erfährt man viel über sich und seine Wissenslücken. Aber das Motivierende dabei ist, dass diese Lücken sich eher schließen lassen, weil konkrete innere Fragen entstehen. Und diese Neugierde und das Wissenwollen wird konkret. Stellen Sie sich vor, Sie bereiten einen Vortrag über Koalas vor. Sie waren in Australien und erlebten die putzigen Beuteltiere mit ihren ausgefransten Wuschelohren, der Ledernase und den Knopfaugen. Sie sind ganz verliebt in diese kleinen Tiere, so dass sie dieses Gefühl mit Wissen vermehrt teilen möchten. Durch diesen Vortrag können Sie sich nun mit den Koalas aus immer wieder anderen Blickwinkeln beschäftigen und erleben drei erstaunliche und Freude spendende Punkte:

  1. Sie erleben, wie Sie sich mit Ihrem Lieblingstier immer wieder auseinandersetzen können, das macht Spaß.
  2. Sie werden immer wissbegieriger, je mehr Sie über diese erstaunlichen Tiere erfahren. Das beglückt.
  3. Sie haben eine gewisse Vorfreude, aber auch Anspannung, Sie möchten den Vortrag gut halten. Das ergibt Sinn.

Summa Summarum, Sie haben keine Zeit, traurigen Erlebnissen aus der Vergangenheit nachzuhängen, Sie fühlen sich gebraucht, wenn auch vielleicht etwas ängstlich, und Sie fühlen sich sinnvoll durch eine Aufgabe, wo andere Menschen Sie hören und durch Sie etwas erfahren wollen.

6. Werte hinterfragen, Vorbilder suchen

Das ist auch wieder so ein Punkt, wo man aufgrund des ausgelatschen Gemeinplatzes abrupt zu gähnen anfängt. Aber deswegen machen wir es konkret: Finanzieller Erfolg oder materieller Reichtum sind oft die wichtigsten Anreize oder Ziele von uns Menschen. Machen wir uns einmal klar, wieviel Zeit wir pro Tag damit verbringen, genau diesen beiden Werten zu huldigen. Aber wieviel davon dient wirklich der Existenzsicherung, und wieviel davon dient anderen Faktoren wie Status, Neid oder Selbstwertpflege? Und dann fragen wir uns nach den “ausgelatschten” zwischenmenschlichen Werten wie Liebe, Fürsorge, Barmherzigkeit. Mal gucken, ob man nicht doch manchmal Glück empfindet, wenn man auf Dankbarkeit, Rührung oder Mitgefühl trifft. Und eines ist sicher, das materielle Machtstreben findet nie sein Ende. Es gibt kein “genug” oder “es reicht”. Stets endet man vorher, bevor man genug hat. Bei immateriellen Werten hingegen bekommt man die Belohnung meistens gleich. Auch kann es helfen, sich Vorbilder zu suchen. Das sollen keine idealisierten Personen sein, die alles richtig machen, oder denen man sklavisch nachäfft. Sondern es sind Haltungen, Lebenseinstellungen oder einzelne Taten von Menschen, die einen inspirieren und motivieren. Empfinden Sie jede Inspiration als kleine Lehre über sich, die Sie auch wiederum weitergeben können.

7. Freunde treffen, für andere da sein

Ein wichtiger Punkt, seinen eigenen Sinn im Leben immer wieder neu zu erfahren, ist die Selbstverständlichkeit, aber auch die Notwendigkeit für andere Menschen, dass man einfach da ist. Das kann der Anruf sein, ob man mal eben schnell helfen könne, das Sofa hochzutragen, oder aber der feuchtfröhliche Kneipenabend, wo man über gemeinsame Erlebnisse schwadroniert. Es sind stets die Begegnungen mit anderen Menschen, die einen brauchen, die einen fragen, mit denen man gemeinsame Sachen plant und erlebt, die den Sinn und das Glück als selbstverständlich erlebbar machen. Doch das geht natürlich nicht von alleine. Daher empfiehlt es sich, sich für diese zu interessieren, in deren Geschichten einzutauchen und Hilfe anzubieten, wo sie gebraucht wird. Das Erstaunliche dabei ist, dass dies auch der Schlüssel sein kann, aus dem Zweifel seiner Selbstwirksamkeit herauszukommen. Gesuchter Sinn wie erfundene Hobbys, bspw. Im Sport, ohne die kommunikative Begegnung mit anderen Menschen, wird nicht die Befriedigung verschaffen, die man eigentlich gesucht zu haben beabsichtigte.  

Fazit

Wir tun alles, um länger leben zu können. Dann erscheint es mir auch nur als logisch und sinnvoll, auch alles dafür zu tun, dass dieses Leben auch reich und glücklich ist. Ein Witz zum Abschluss fasst die Sinnlosigkeit des einfach nur Älterwerdenwollens gut zusammen: Ein Freund fragt mich, was ich für meine Gesundheit tue. “Ich jogge jeden Tag, um länger leben zu können". Er fragt: “Und was machst du mit der längeren Lebenszeit?” Ich: “Joggen…”



Bitte beachtet auch meine Schwerpunktseite: www.musikerberatung-frieling.de.

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