Achtsamkeit

Achtsamkeit ist heute in aller Munde. Zeitschriften, Blogs, Podcasts und ganze Fernsehserien beschäftigen sich mit diesem Thema. Und das hat nichts damit zu tun, dass man etwas Neues entdeckt hat und nun kräftig die Werbetrommel rührt. Auch geht es nicht um ein altes Phänomen im neuen Gewand, nein, vielmehr ist das Thema Achtsamkeit deswegen so präsent, weil es anscheinend den Nerv vieler Menschen trifft.

Der Begriff Achtsamkeit

Doch was ist das eigentlich – Achtsamkeit? Für mich ist es hauptsächlich die Achtung vor sich selbst und die Balance seines seelischen Wohlbefindens. Es geht also darum, sich selber gegenüber sorgsamer zu sein. Und das betrifft meines Erachtens nach zwei wesentliche Schwerpunkte:

  1. Die innere Kommunikation – also sich so zu behandeln, wie man auch von anderen behandelt werden möchte. Mit sich so zu reden, wie man auch von Fremden angesprochen werden will. Und bei Fehlern sich so zu korrigieren, wie man es mit seinem Kinde oder Schüler tun würde.
  2. Das Hier-und-Jetzt-Sein – also sich dessen bewusst zu sein, was man gerade macht oder mit seinen Sinnen wahrnimmt. Das Ziel ist in gewisser Weise die Synchronisation von Denken, Fühlen und Handeln. Es gibt natürlich verschiedene Wege, diese Balance zu erreichen.

Der Stress beginnt im Kopf

Man geht aus dem Haus, es ist schon spät. Also eilt man los. Das Wetter ist auch doof, es nieselt, es ist kalt. Fröstelnd schlagen wir die Arme um die Jacke. Zum Zumachen hatten wir keine Zeit. Auf dem Bürgersteig rempeln wir erstmal ein kleines Mädchen um; nicht gesehen. “Entschuldigung.” Weiter geht es. Im Gedanken ist man schon mindestens seit zehn Minuten im Büro. Hoffentlich hat Frau Lutzker-Sickenkotz noch nicht angerufen, und ob Herr Friebrath-Nöpelheinz schon da ist? Dann geht man das letzte Gespräch mit Frau Knulf-Ofenbrech nochmal durch. Das war aber auch unangenehm. Hätte man doch nur gesagt, dass… Ach Mist, hat man denn eigentlich die Kaffeemaschine ausgeschaltet? Und dann muss man noch daran denken, dass in drei Wochen die Schwiegermutter kommt. Und zum Zahnarzt muss ich dieses Jahr auch noch…

Multitasking als Stressmotor?

Die kleine Schilderung ließe sich beliebig erweitern. Sorgen, Ängste, Gedanken, Grübeleien etc. begleiten tagtäglich unser Tun. Zum Beispiel wenn wir gehen, also uns Schritt für Schritt vorwärtsbewegen, denken wir oft parallel an das Ziel und daran, was wir dann machen, aber auch vielleicht daran, was passieren würde, wenn wir plötzlich ausrutschten und uns das Bein brächen. Gleichzeitig nimmt man mit allen seinen Sinnen Geräusche, Lichter und Gerüche wahr. Eine kurze Headline der Bushaltestellenwerbung wird genauso gelesen und intellektuell verarbeitet wie der Warnton eines hupenden Autos oder die grüne Ampel, die wiederum nach wenigen Sekunden schon wieder auf Rot steht. Puuh – allein die Aufzählung erzeugt bei mir ein stressiges Gefühl.

Dazu kommt aber noch die ständige Konsumierung medialer Informationen, sei es Werbung, Neuigkeiten (meistens schlechte) oder kleine Filme, Spiele und so weiter. Das Handy ist unser alltäglicher Aufmerksamkeitsabsorber.

Spätestens aber beim Einschlafen am Abend – das Handy ist ausgeschaltet, das Buch weggelegt, das Licht ausgeschaltet – kommt es dann zu Gedankendrängen und Grübeleien. Und der Konjunktiv ist dessen liebster Kasus. Denn Stress entsteht auch, wenn man über mögliche Alternativen einer nicht veränderbaren Entscheidung in der Vergangenheit nachdenkt. Jetzt wertet der Kopf die ganze Flut von Eindrücken und Informationen aus. Und das kann ganz schön anstrengend sein.

Realität und Wirklichkeit

Das menschliche Gehirn ist sehr leistungsfähig, kann aber nicht so gut zwischen Realität und Fiktion unterscheiden, besser gesagt, es kann eigene Wirklichkeiten erschaffen. Das hat zum einen eine sehr positive Auswirkung, zum anderen kann es dadurch aber auch zu Problemen kommen.

positiv – Mithilfe von Phantasiereisen können wir uns (mit etwas Übung) ganz imaginativ und mit allen unseren Sinnen eine wunderbare Entspannung verschaffen.

negativ – Was-passiert-wenn-Gedanken, die die reale Situation begleiten und mögliche Horrorszenarien ausmalen, können so stark belasten, dass sie zu einer generalisierten Angststörung führen können.

Zehn Achtsamkeitstipps für weniger Stress

  1. Wissen steuern – Gehe Deinen Kalender durch und überlege Dir genau, wann Du etwas wissen musst. Trage nicht die Last der Termine in Deinem Kopf, sondern trage sie so ein, dass Du sie ruhigen Gewissens vergessen kannst. Überlege Dir, was Du wie einträgst. Wie bei einem Inspizienten auf der Bühne, der sich auch einträgt, wann er das Lichtzeichen gibt, ist es eben auch wichtig, nicht nur den Termin wie “Geburtstag Tante Martha” einzutragen, sondern drei Tage zuvor auch: “Geburtstagsgeschenk Tante Martha besorgen” zu vermerken.
  2. Bewusst Sein – Wenn Du auf dem Bahnhof stehst und auf den verspäteten Zug wartest, dann stehe auf dem Bahnhof und warte auf den verspäteten Zug. Wenn Du Dich hingegen während des Wartens ärgerst, dass er sich verspätet, dann wartest Du nicht mehr, sondern ärgerst Dich, dass Du nicht fährst.
  3. Freiheit lassen – Alles nur das zu tun, was man möchte, ist keine Freiheit. Auch mal das zu tun, was man nicht möchte, gehört dazu. Man hat nämlich auch die Freiheit, sich zu überwinden und sich dafür zu belobigen. Nur ist es eben wichtig, dass man weiß, dass man das auch möchte, also das zu tun, was man nicht möchte.
  4. Zeitinseln einrichten – Nicht die Dauer und nicht der Ort sind entscheidend, sondern das, was man tut. Eine echte Zeitinsel ist also eine Zeiteinheit, in der man nur das tut, was man allein möchte und braucht. Das heißt, hier bestimmst nur Du allein, keiner darf dieses Schutzgebiet stören.
  5. Erreichbar sein – Ein Erfolg ist es sicherlich, sein Handy und seinen Computer bewusst auszuschalten. Aber das fernere Ziel sollte sein, sie bewusst anzuschalten. Also nur bewusst erreichbar zu sein. Sei bewusst ansprechbar und nicht nur bewusst nicht ansprechbar.
  6. Genießen lernen – Die meisten von uns haben eine Lieblingsspeise oder zumindest Dinge, die sie gerne essen, z. B. Schokolade. Nimm Dir ein kleines Stück und genieße mit allen Sinnen dieses Stück Schokolade. Mache nichts anderes, als dieses Stück Schokolade zu essen.
  7. Kommunikation üben – Jede Nachricht hat vier Ebenen des Senders und wird mit vier Ohren des Empfängers gehört. Mache Dir bewusst, auf welcher Ebene der Sender besonders stark sendet und auf welchem Ohr Du besonders genau hörst.
  8. Bemerken statt beurteilen – Jeden Tag begegnen wir Menschen und erleben Situationen, die in uns Bewertungen und Urteile entstehen lassen. Je mehr man negative Beurteilungen vermeidet und stattdessen neutral beobachtet und positive Dinge sucht, desto glücklicher kann man selbst werden.
  9. Konsum einschränken – Was so marginal klingt, hat eine sehr positive Auswirkung. Alles, was wir uns anschaffen, belastet uns in irgendeiner Weise. Ein Buch braucht ein Regal, das Regal braucht einen Platz, der Platz braucht eine Wand, die Wand braucht ein Zimmer, das Zimmer braucht eine Wohnung… Wer weniger hat, hat weniger Sorgen.
  10. Dankbarkeit üben – Dieses Gefühl ist stark und positiv und lässt sich schnell erzeugen. Wenn Du Dich stark belastet fühlst und negativen Gedanken nachhängst, erinnere Dich an 3 Dinge, für die Du dankbar bist. Das kann das kleine Gänseblümchen sein, Deine Gesundheit oder das Lächeln der Verkäuferin. Fühle diese Dankbarkeit, denn dann ist man weniger frustriert.

Und zum Schluss eine ganz berühmte und sehr kurze Achtsamkeitsübung:

Diese Übung wird in Ausbildungen gelehrt und geht auf Prof. Luise Reddemann zurück. Sie dauert wenige Minuten und kann mehrmals am Tage wiederholt werden.

Setze Dich hin, schließe die Augen und besinne Dich, wo Du Dich gerade befindest. Dann nimmst Du alle Sinne einzeln wahr: Was gibt es hier und jetzt zu hören, zu riechen, zu schmecken und zu fühlen?. Lasse in Dir ein Bild dieses Ortes entstehen, dann öffne die Augen und nimm wahr, was Du alles siehst. Mache das so detailliert wie möglich. Ziel ist der genaue und ausschließliche Fokus auf das Hier und das Jetzt.

 

Bitte beachten Sie auch meine Schwerpunktseite: www.musikerberatung-frieling.de.

Zurück